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pax christi

menschen machen frieden - mach mit.

Unser Name ist Programm: der Friede Christi. 

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. 

» Alle Informationen zur Deutschen Sektion von pax christi

Internationales Jägerstätter-Gedenken in St. Radegund zum 82. Todestag

22. Aug 2025

Anlässlich des 82. Todestages des Seligen Franz Jägerstätter fand am 8. und 9. August 2025 in St. Radegund das jährliche von Pax Christi in Kooperation mit der Pfarre St. Radegund organisierte internationale Gedenken statt.

Das bereits traditionelle Jägerstätter-Gedenken wurde auch dieses Jahr von Pax Christi Österreich in Kooperation mit der Pfarre St. Radegund organisiert. Gekommen waren rund 150 Teilnehmer:innen aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz darunter zwei Töchter von Franz und Franziska Jägerstätter sowie weitere Familienmitglieder, der Bürgermeister von St. Radegund Simon Sigl, der Vorsitzende des Jägerstätter-Beirates Maximilian Mittendorfer, die Jägerstätter-Biografin Erna Putz, der Leiter des Franz und Franziska Jägerstätter Institutes Andreas Schmoller, die Leiterin des Österreichischen Pastoralinstitutes Gabriele Eder-Cakl, der Präsident von Pax Christi Österreich Wolfgang Palaver und Landeshauptmann em. Josef Pühringer.

 

Gruppenfoto

v.l.: Steffanie Mayer (Pfarrgemeinde St. Radegund), Maria Fischer, Wolfgang Palaver, Uschi  Teißl-Mederer, Bischof Manfred Scheuer, Erna Putz, Georg Haigermoser, Hans Winklmeier. / © Martin Pilgram

 

Am Freitagabend bildete ein Abendgebet in der Pfarrkirche St. Radegund den Auftakt. Der Samstag begann traditionell mit einem Seminarteil in Tarsdorf, der erstmals im Gemeindeamt abgehalten wurde.

 

Jägerstätter-Biografin Erna Putz stellte einen Brief des Pfarrers und Jägerstätter Wegbegleiters Josef Karobath aus dem Jahr 1968 vor, den sie erst kürzlich in ihrer persönlichen Sammlung entdeckt hatte. Bei dem Dokument handelt es sich um ein Antwortschreiben auf einen Brief von Alfred Potyka. Damals war durch die deutsche Übersetzung der Jägerstätter-Biografie von Gordon Zahn und einer ersten TV-Reportage des Norddeutschen Rundfunks das Interesse am Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter im Wachsen. Karobath, der sich Zeit seines Wirkens für die Ehrung seines Pfarrangehörigen einsetzte, beschreibt Jägerstätter als „schneidigen Burschen“. Bei einem geheimen Treffen 1942 in Tittmoning, bei dem Karobath und Mitbrüder Jägerstätter von seiner Entscheidung abbringen wollten, machte er „mit seinen Argumenten vollständig fertig.“ Bezeichnend ist der aufgetauchte Brief vor allem hinsichtlich seines Schlusses: „Ich fragte Jägerstätter einmal, ob er für Österreich kämpfen würde. Ohne zu überlegen, sagte er ein freudiges Ja.“ Der Leiter des Jägerstätter Instituts Andreas Schmoller kommentierte, dass die Erinnerung Karobaths zum Inhalt jenes im Jahr 2022 neuaufgetauchten Jägerstätter-Schriftstücks passe. In diesem erklärte Jägerstätter kurz vor seiner Verweigerung, wie er „auf die Idee kam nicht einzurücken“. Darin lehnt er ab, die NS-Kriege als Vaterlandsverteidigung und somit als gerechte Kriege zu betrachten, und fügt hinzu: „Das hätten wir höchstens so betrachten können, wenn wir vor fünf Jahren vom Kanzler Schuschnigg zum Kampfe aufgefordert“ worden wären. (Video ihres Vortrages)

 

Erna Putz

Jägerstätter-Biografin Erna Putz / © Martin Pilgram

 

Wolfgang Palaver, emeritierte Professor für christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck, hielt den Hauptvortrag des Vormittags mit dem Titel „Menschenrecht und Demokratie unter Druck: Widerstandskraft aus der christlichen Friedensethik“. Christliche Friedensethik sei als „vorrangige Option für die Gewaltfreiheit“ zu begreifen und könne dabei an Mahatma Gandhi anschließen, der die Gewaltfreiheit von der Frage nach Wahrheit her verstand. Er denkt dabei Gewalt viel breiter und erkennt sie auch im Denken. Es ist eine Form von Gewalt, auf andere Menschen so zuzugehen, als würden wir im Besitz der ganzen Wahrheit sein. Palaver nannte als Beispiel: „Wer von der Überlegenheit der weißen Rasse ausgeht und daher abschätzig auf Menschen anderer Hautfarbe herunterschaut, übt epistemische Gewalt aus. Eine solche Haltung ist gewalttätig und es dauert oft nicht sehr lange, bis eine solche Haltung auch zu direkter Gewalt führt.“ Absolute Wahrheitsansprüche stellen nicht nur für den Weltfrieden, sondern auch für Religionsgemeinschaften und schließlich für Demokratien insgesamt eine wesentliche Gefahr dar.

Palaver erinnerte daran, welche Schwierigkeiten die katholische Kirche in ihrer Geschichte mit der Haltung in der Wahrheitsfrage hatte. Das Pochen auf die Umsetzung von Wahrheitsansprüchen ist letztlich aber ein Verrat am Evangelium, „weil wir am Beispiel Jesu lernen können, dass er niemanden zu seiner Wahrheit gezwungen hat, obwohl er die Inkarnation der absoluten Wahrheit war. Das Zweite Vatikanische Konzil hat aufgrund des Vorbilds von Jesus sich für die Religionsfreiheit entschieden und dem Integralismus eine Absage erteilt.“

 

Wolfgang Palaver

Wolfgang Palaver, emeritierte Professor für christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck / © Martin Pilgram

 Demokratie und absoluter Wahrheitsanspruch sind nicht vereinbar. Das gilt nach Palaver auch für die Vorstellung, die Mehrheit der Bevölkerung habe immer Recht und wäre im Besitz der Wahrheit. Das sieht man besonders bei den Rechten und beim Schutz von Minderheiten. Das Sündenbocksystem ist Ausdruck dieser Haltung. Der Präsident von Pax Christi sieht eine große Herausforderung für die westlichen Demokratien im Umgang mit populistischen Parteien, die soziale Ängste geschickt für die Meinungsbildung instrumentalisieren. Durch die starke Prägekraft der sozialen Medien und Algorithmen wird die Meinungsbildung immer stärker zu einer „Rudelbildung“ der exklusiven Position. Franz Jägerstätters Nein bei der „Anschluss“-Abstimmung 1938 ist ein positives Beispiel gegen „den Rudel“ bzw. die Echokammer. Der Weg der durch diese Tendenzen gefährdeten Demokratien kann nur sein, das Aufeinanderzugehen zwischen den gegensätzlichen Parteien weiterhin ernst zu nehmen und fortzusetzen, so der Sozialethiker.

Demokratie endet dabei aber nicht einem Relativismus von nebeneinander gleich gültigen Meinungen, sondern bedarf weiterhin des Strebens nach Wahrheit von möglichst vielen beteiligten Menschen. Die christliche Friedensethik kann als Basis dienen, diesen Kampf nicht falsch zu verstehen. Das kann man nach Palaver wiederum bei Franz Jägerstätter lernen: „Er kämpfte im Namen der Wahrheit gegen die Lüge des Nationalsozialismus. Seine Wahrheit bedeutete aber nicht, sich zur blutigen Gewalt berechtigt zu sehen, sondern er war umgekehrt im Geiste eines echten christlichen Martyriums bereit, für die Wahrheit sein Leben hinzugeben.“ (Video seines Vortrages)

 


Bischof Manfred Scheuer: „Mehrheitsmeinungen vor dem eigenen Gewissen hinterfragen“

Am Nachmittag führte eine gemeinsame Fußwallfahrt von Tarsdorf nach St. Radegund, wo um 16 Uhr eine Andacht zur Todesstunde von Franz Jägerstätter gefeiert wurde. Im Anschluss veranstaltete Pax Christi im Gastgarten des Gasthofes Hofbauer eine kleine Feier zum 70. Geburtstag von Bischof Manfred Scheuer mit Geschenken zu zentralen Stationen seines Lebens und Wirkens. Bischof Manfred erinnerte in seinen Dankesworten daran, dass er bereits den 50. und 60. Geburtstag in St. Radegund gefeiert hatte und seit 1998 regelmäßig am Jägerstätter Gedenken teilnimmt. Er dankte für die Glückwünsche und noch vielmehr für die Verbundenheit, die durch die Franz Jägerstätter entstanden ist, der einen zentralen Platz in seiner Lebens- und Glaubensbiografie einnimmt.

Der abschließende Gedenkgottesdienst in der Pfarrkirche St. Radegund um 19.30 Uhr wurde auf Intention der beiden Jägerstätter-Töchter Rosalia und Aloisia für ihre kürzlich verstorbene Schwester Maria Dammer gefeiert. Neben den zwei Jägerstätter-Töchtern, weiteren Verwandten und Pfarrangehörigen nahmen die internationalen Pilger:innen an der Messfeier teil, die mit der traditionellen Lichterprozession zur Grabstätte von Franz und Franziska Jägerstätter abgeschlossen wurde.

Bischof Manfred Scheuer schlug in seiner Predigt die Brücke von Franz Jägerstätter zu anderen Glaubenszeugen und Zeuginnen wie Mathias Spanlang, Jakob Gapp, Otto Neururer, Carl Lampert, Franz Reinisch, Hans und Sophie Scholl oder Edith Stein. So wie Jägerstätter sind sie verfolgt, ermordet oder hingerichtet worden, weil sie nicht mit der Masse gelaufen sind und im Chor der Mehrheit mitgeplärrt haben, sondern Widerstand geleistet haben. Ihr Vorbild müsse auch heute dazu anregen, Mehrheitsmeinungen vor dem eigenen Gewissen zu hinterfragen, so Scheuer.

Gerade in der Politik seien ethische Fragen heute reduziert auf Mehrheitsfindung und Wahlkampf, Wahrheitssuche werde verkürzt auf die Machtfrage. Auch wenn die Zeiten des Kollektivismus wie in der NS-Zeit vorbei seien, gingen doch viele auf im "Man", schwömmen in der Masse mit oder blieben in ihrer Blase, ohne andere überhaupt wahrzunehmen, merkte Scheuer kritisch an. Und: "Nicht wenige haben ihre Verantwortung vollständig an die verführerischen Sinnangebote und dramatischen Rollenspiele der Fernseh-Welt delegiert."

 

Gedenkgottesdienst

 Gedenkgottesdienst in der Pfarrkirche St. Radegund / © Martin Pilgram

Bei den genannten Glaubenszeugen und Märtyrerinnen dagegen habe der "äußere Verblendungszusammenhang" zu keiner Abstumpfung des Gewissens geführt, die Meinung der Massen nicht zur Anpassung der Urteilskraft, die Nazi-Ideologie nicht zur Menschenverachtung und Gottlosigkeit, so der Bischof. Sie hätten ihr Gewissen und ihre Verantwortung "nicht infantil delegiert", weder an Volk noch Führer. Sie hätten nicht der Mehrheit nach dem Mund geredet und sich nicht auf allgemeine Vorschriften und Regeln ausgeredet.

Dabei sei Franz Jägerstätter alles andere als ein notorischer Neinsager oder ein "Wirklichkeitsflüchtling" gewesen, betonte Scheuer. Aber er habe die Gabe der "Unterscheidung der Geister" gehabt, die dazu befähige, hinter die "Masken der Propaganda" und die "Rhetorik der Verführung" zu blicken.

Die Rückschau auf Jägerstätters Gewissensprotest gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime mahne dazu, "dass die Maßstäbe von Gut und Böse unverrückbar bleiben, auch wenn sie in der damaligen pervertierten öffentlichen Moral kaum Widerhall fanden". Heute mögen die Kontexte anders sein, so Scheuer, aber beim Recht auf Leben, bei Themen wie Menschenwürde und Menschrechte, Demokratie und Gerechtigkeit und bei der Gottesfrage gehe es auch heute um verantwortetes Gewissen.

Der Bischof warnte auch vor überzogenem Konkurrenzdenken: Franz Jägerstätter habe in anderen Völkern keine Rivalen, keine Gegner und Feinde gesehen. Rivalität richte Grenzen auf zwischen Menschen, Rassen und Nationen und erzeuge Feindbilder. "Durch Rivalität und Konkurrenz geht heute mehr und mehr die Fähigkeit verloren, echte Beziehungen einzugehen und sich einem Miteinander zu öffnen", so der Bischof. (Video der Predigt im Gottesdienst)

 


Franz Jägerstätter

Der Innviertler Landwirt und Familienvater Franz Jägerstätter (20. Mai 1907 – 9. August 1943) hatte sich aus Glaubensgründen geweigert, mit der Waffe für das Nazi-Regime in den Krieg zu ziehen. Daraufhin wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und vor 80 Jahren, am 9. August 1943, in Brandenburg an der Havel durch Enthauptung hingerichtet.

Am 7. Mai 1997, 54 Jahre nach Jägerstätters Hinrichtung, wurde vom Landgericht Berlin das Todesurteil gegen ihn aufgehoben. Die Aufhebung kommt einem Freispruch gleich und bedeutet moralische und juristische Rechtfertigung seiner Handlung. Ab 1989 wurden im Auftrag des damaligen Diözesanbischofs Maximilian Aichern Personen, die Jägerstätter kannten, als Zeugen einvernommen. Nach Unterstützung durch die Österreichische Bischofskonferenz, eine historisch-theologische Kommission und das Linzer Domkapitel wurde 1997 offiziell der Seligsprechungsprozess für Franz Jägerstätter eröffnet, am 21. Juni 2001 auf diözesaner Ebene abgeschlossen und die Akten der Selig- und Heiligsprechungskongregation übergeben. Postulator des Seligsprechungsverfahrens war Manfred Scheuer, damals noch Bischof von Innsbruck. Der Vatikan bestätigte am 1. Juni 2007 offiziell das Martyrium von Franz Jägerstätter. Die Seligsprechung erfolgte am 26. Oktober 2007 unter Bischof Ludwig Schwarz im Linzer Mariendom. Der liturgische Gedenktag des Seligen Franz Jägerstätter ist sein Tauftag, der 21. Mai.


Text aus der Meldung der Diözese Linz übernommen